Martin Luther – Ein deutscher Rebell und konservativer Revolutionär (Willi Winkler)

Kategorie: Archiv

Di, 6. Juni, 19:30 Uhr

Vor lauter Reformationsfeierlaune gerät leicht aus dem Blick, dass sich die Deutschen im 19. Jahrhundert einen Martin Luther nach ihrem Bild und dem Gleichnis der Wittenberger Schlosskirche geformt haben: Eine feste Burg für unsern Herrn, der damals Wilhelm hieß und zur Vermehrung der nationalen Größe einen deutschen Helden brauchte, der gegen die Welschen aufgestanden war.
Trotzdem war Luther kein Bismarck, sondern ein Mann, der wie seine Zeitgenossen noch fest im Mittelalter verwurzelt war. Er brach mit dem Papsttum in Rom, aber er tat es im Namen der Heiligen Schrift, der er als konservativer Rebell wieder zu ihrem Recht verhelfen wollte. Er proklamierte die Freiheit des Christenmenschen und nahm sie ihm sofort wieder. Luther ist beim besten Willen kein Mann für heute, doch wie war es möglich, dass ein kleiner Mönch fast ganz allein eine Revolution auslösen konnte, nur weil er – ja was: zweifelte, glaubte, nicht anders konnte?

Willi Winkler ist Journalist, Übersetzer, Autor und Literaturkritiker für die Süddeutsche Zeitung. Außerdem war er Redakteur bei der Zeit und Ressortchef Kultur beim Spiegel. Winkler wurde für seine Artikel, Essays und Übersetzungen mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm »Luther: Ein deutscher Rebell« (Rowohlt 2016).

 

(Foto © by Jens Gyarmaty)