Ziele der Aufklärung heute (Reinhard Brandt)

Kategorie: Archiv

Di., 12. Juni, 19:30 Uhr

Gegen die Beherrschung durch die drei feudalen Stände, die Kant mit den Titeln „Offizier“, „Geistlicher“ und „Finanzrat“ benannte, zielt die Aufklärung auf die gewaltenteilige Republik. Der freie Bürger ist als solcher geborener rechtlicher Mensch und fordert vom Staat die Verwirklichung dieses angeborenen Status. Wir sind nicht etwa umgekehrt Erzeugnisse von Staat und Gesellschaft, wozu sich als Vergleich die Verfassung der Volksrepublik China heranziehen ließe.
Die Aufklärung kehrt die Setzung des Guten durch den unbedingten Glauben der Offenbarungsreligionen um; im Konfliktfall erhält das Recht den Vorrang, nicht das geglaubte Gute. Aufklärung zielt nach dieser Idee in allen einschlägigen Institutionen auf die Selbständigkeit des Bürgers im Denken und Handeln; die Diagnose einer „Dialektik der Aufklärung“ bedarf der List, mit der sich die Autoren selbst von der Dialektik ausnehmen.

brandt

Reinhard Brandt ist emeritierter Professor für Geschichte an der Philosophie der Philipps-Universität Marburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. auf Philosophie Immanuel Kants und ihrer Einbettung in den historischen Kontext. Er ist korrespondierendes Mitgliede der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Zu seinen jüngeren Veröffentlichungen zählen u.a. »Wozu noch Universitäten?: Ein Essay« (2011) oder »Immanuel Kant. Was bleibt?« (2010).