»aufs Maul!« – Grobes und Feines, Persönliches und Theologisches von Martin Luther (Ralph Hennings)

Kategorie: Archiv

Di., 24. Nov., 19:30 Uhr

Von Martin Luther geht ein starker Freiheitsimpuls aus. Klerikale Fesseln streift er im Namen Christi, der Gnade Gottes, des Glaubens und der Bibel ab. Das eröffnet Bürgern und Obrigkeiten neue Freiräume und löst Individualisierungs- und Säkularisierungsschübe aus. Diese große Wirkung Luthers beginnt klein, sichtbar am Beispiel der Leipziger Disputation von 1519.

Luthers Freiheitsschrift von 1520 zeigt seine radikale Abkehr vom hierarchischen Kirchenwesen des Mittelalters. Von nun an sollen Christen selbst Bibel lesen, das Evangelium hören und selbst verkünden. Dieses Programm unterstreichen Textpassagen aus »Ein kleiner Unterricht, was man in den Evangelien suchen und erwarten soll« sowie »Von weltlicher Obrigkeit«. Eine neue Kirchenstruktur kündigt sich an in »Daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen«.

Lambertikirche Pastor Dr. Ralph HeninngsMit der Ablösung der Christen von der Kirchenorganisation geht auch die Verpflichtung einher, für den Glauben, das Leben und das Sterben selbst einzutreten. Das zeigt Luther in der Schrift »Ob man vor dem Sterben fliehen möge«. Er ist dabei zutiefst skeptisch, was die Möglichkeiten der menschlichen Vernunft angeht. Weit vor Kant sieht Luther deren Grenzen und beschreibt den Menschen entsprechend in der »Disputation über den Menschen« als ein Gottesgeschöpf mit kleinen Fehlern.  Zuletzt eröffnen Luthers Briefe exemplarische Einblicke in die starke Bewegung, die neben theologischen Fragen zeitlebens auch solche des Familienlebens und politischer Konflikte im Denken des Reformators auszulösen vermögen.

Ralph Hennings ist Pfarrer an der St. Lamberti Kirche in Oldenburg, er leitet die Ev. Stadtkirchenarbeit und lehrt Kirchengeschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.