Buchpräsentation: »Friedrich Sieburg – Ästhet und Provokateur« (Harro Zimmermann)

Kategorie: Archiv

Di., 15. Dez., 20:00 Uhr, Kunstverein Oldenburg

Friedrich Sieburg (1893 – 1964) besitzt bis heute unter Kennern der deutschen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts eine unbestreitbare Aura. Der vor einem halben Jahrhundert gestorbene Schriftsteller und Journalist begann als Lyriker im Umkreis Stefan Georges. Später wurde er Korrespondent der »Frankfurter Zeitung« in Paris und avancierte zu einem der wichtigsten Kulturvermittler zwischen Frankreich und Deutschland. Als er sich 1939 in den diplomatischen Dienst der Nationalsozialisten begab, brachte ihm das zahlreiche Feindschaften unter den Intellektuellen Europas ein. Nach 1945 wurde Sieburg Feuilleton-Chef der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und war damit ein Amtsvorgänger von Marcel Reich-Ranicki.
Sieburg gehört zu den intellektuellen Gründungsvätern der Bundesrepublik. Dieser »sonderbare Kopf« (Thomas Mann) war ein Schriftsteller und Journalist von europäischem Format, der sich mit der Bonner »Provinz-Republik« anfreunden musste, ein als Nazi-Kollaborateur Verfemter, der sich zum Propagandisten einer neuen, reizbaren Bürgermoral wandelte. Sieburg entwickelte einen konservativen Avantgardismus mit oppositionellem Temperament und versuchte aus den ideologischen Zerklüftungen des 20. Jahrhunderts Geisteskräfte für die Zivilisierung der Deutschen in einem künftigen demokratischen Europa zurückzugewinnen.

Harro Zimmermann wird im Gespräch mit Stefan Müller-Doohm und Matthias Bormuth diese und andere Perspektiven seines im Wallstein Verlag erschienen Buches verdeutlichen.

Der Abend ist eine Kooperation des Kunstvereins Oldenburg mit der Karl Jaspers-Gesellschaft.

Veranstaltungsort: Kunstverein Oldenburg, Damm 2a.

Harro Zimmermann studierte in Kiel und Göttingen Rechtswissenschaften, Germanistik, politische Wissenschaften und Philosophie. Nach seiner Promotion zu Klzimmermann110_v-slideshowopstock und Tätigkeiten als Gymnasiallehrer in Bremen und Literaturwissenschaftler an der dortigen Universität, wurde 1988 Kulturredakteur bei Radio Bremen. Hier leitete er von 1995 bis 2000 das Projekt ›CampusRadio‹, das von den Universitäten Bremen und Oldenburg sowie von Radio Bremen getragen wurde. Zimmermann war Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für deutsche Presseforschung und Mitglied des Beirats beim Vorstand der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel sowie ehrenamtlicher Geschäftsführer der Günter Grass Stiftung Bremen. Er ist seit 2006 außerplanmäßiger Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bremen. Von ihm ist u.a. erschienen: »Friedrich Schlegel oder Die Sehnsucht nach Deutschland« (Paderborn u.a. 2009); »Günter Grass unter den Deutschen. Chronik eines Verhältnisses« (Göttingen 2010); »Friedrich Gentz. Die Erfindung der Realpolitik« (Paderborn u. a. 2012).

Pressestimmen:

»Bei so viel Sentiment und Ressentiment, wie sie Sieburg weit über seinen Tod hinaus auf sich zog, wundert einen fast die ausgewogene, durch und durch faire Art, mit der ihm nun Harro Zimmermann begegnet. […] Zimmermann beschönigt nichts. Er sieht sehr klar, dass Sieburg, der allerdings ›aus dem Zeitbruch von 1945 als ein anderer hervorging‹, erst ein ›Fall‹ war, bevor er zur ›Instanz‹ wurde.«

Tilman Krause, Literarische Welt, 1.10.2015

»Eine durchweg elegant und im Sinne seines Protagonisten einleuchtend argumentierende Biographie des Geistesaristokraten Friedrich Sieburg.«

Lutz Hachmeister, Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.10.2015

»Eine große Biographie über den Publizisten und Nazi-Mitläufer Friedrich Sieburg. Der Biograph schont ihn nicht und übersieht nicht seinen fatalen Opportunismus. Der Respekt vor dem Stilisten und Ästheten Sieburg ist jedoch nicht zu überhören.«

Wilhelm von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 14.11.2015