Helmuth Plessner und die »Verspätete Nation« (Tilman Allert)

Kategorie: Archiv

Do., 17. März, 19:30 Uhr

»Die verspätete Nation« ist ein Klassiker der bundesdeutschen Mentalitätsgeschichte. Dabei riskierte der Soziologe und Philosoph Helmuth Plessner mit dem Titel die Annahme einer Sattelzeit, einen historisch geeigneten Zeitpunkt, zu dem sich eine kollektive Identität hätte ausgestalten können. Dennoch umschreibt der Titel sachhaltig die für die deutsche Nation besonderen Voraussetzungen und Folgen einer politischen Entwicklung. Diese kreist von den Zeitbrüchen des 20. Jahrhunderts, den beiden Diktaturen auf deutschem Boden, vom Aufbau aus den Ruinen bis zur Wiedervereinigung, sogar bis zu jüngsten Debatten um Migranten und Flüchtlinge um die Idee der Nation. Der Vortrag arbeitet die Grundlinien dieses klassischen Werkes heraus, auch in Verbindung mit der Biographie Plessners, der als deutscher Jude 1933 ins Exil ging und zu den wenigen Gelehrten gehörte, die nach 1945 wie die ihm nahestehende Frankfurter Schule wieder in die sich konstituierende Bundesrepublik zurückkehrte. Der Vortrag fragt nach Möglichkeiten, die »Verspätete Nation« neu zu lesen.

Tilman Allert studierte Soziologie an den Universitäten Freiburg, Tübingen und Frankfurt am Main. Nach seiner Promotion 1981 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der -Universität Tübingen und habilitierte sich 1994. Seit 2000 ist er Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und lehrt als Gastdozent an den Universitäten von Tiflis und Eriwan sowie an der International Psychoanalytical Universitiy in Berlin. Einer größeren Leserschaft ist er mit seinem Buch »Der deutsche Gruß. Geschichte einer unheilvollen Geste« (2005) bekannt geworden, sowie als regelmäßiger Beiträger u.a. für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, »Brand Eins« oder die »Neue Zürcher Zeitung«. Für seine Habilitationsschrift »Die Familie. Fallstudien zur Unverwüstlichkeit einer Lebensform«, erschienen 1998 bei de Gruyter, erhielt Allert 1999 den »Christa-Hoffmann-Riem-Preis« für qualitative Sozialforschung. 2015 erschien beim S. Fischer Verlag »Latte Macchiato. Soziologie der kleinen Dinge «.