»Kein einziges Kino, kaum ein Café« – Hannah Arendt in Marbach (Ulrich von Bülow)

Kategorie: Archiv

Do., 3. Dez., 20:15 Uhr

Hannah Arendt, die bedeutendste politische Philosophin des 20. Jahrhunderts, kehrte nach ihrer Emigration in die USA nur noch besuchsweise nach Deutschland zurück. Ihre letzte transatlantische Reise führte sie 1975 in das Deutsche Literaturarchiv in Marbach. Anhand von Briefen, Dokumenten und Gesprächen mit Zeitzeugen lässt sich ihr einmonatiger Aufenthalt in der Kleinstadt am Neckar rekonstruieren.

Anlass ihres Besuchs war vor allem die umfangreiche Korrespondenz ihres Lehrers Karl Jaspers, die sie geerbt hatte. Bislang unveröffentlichten Lektürenotizen zeigen, dass die Autorin von »The Origins of Totalitarianism« (1951) und »Eichmann in Jerusalem« (1963) immer auch mit den Augen einer Historikerin las, auf der Suche nach Quellen zum deutschen Alltag zwischen 1933 und 1945.

Neben der Archivarbeit traf Hannah Arendt auch alte und neue Bekannte, darunter einige Exilanten. Von den New Yorker Freunden kam die Schriftstellerin Mary McCarthy ins Deutsche Literaturarchiv. Am Ende ihres Aufenthaltes entschloss sich Arendt, ihre Briefwechsel mit Heidegger und Jaspers sowie ihre berühmten »Denktagebücher« Marbach zu überlassen.

Ulrich von Bülow leitet seit 2006 die Abteilung Archiv im Deutschen Literaturarchiv Marbach. In Veröffentlichungen und Editionen befasste er sich u.a. mit Arthur Schnitzler, Georg Lukács, Martin Heidegger, Karl Löwith, Erich Kästner, Joachim Ritter, Hans Blumenberg, Martin Walser, Peter Handke und W.G. Sebald.