Leben aus einem Positiven oder Sein zum Tode? Theodor W. Adorno und Jean Améry als Jaspers-Kritiker (Gerhard Scheit)
Kategorie: Archiv
Fr., 17. Juni, 19:30 Uhr
Theodor W. Adorno und Jean Améry übten in den 1960er Jahren beide Kritik an der Philosophie von Karl Jaspers. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind nicht zu trennen von der Frage, was die beiden Intellektuellen jeweils unter Erziehung nach Auschwitz und unter Aufarbeitung der Vergangenheit verstehen.
Adorno akzentuiert in seinem »Jargon der Eigentlichkeit« den Einklang von Jaspers mit Heidegger als führenden Köpfen der deutschen Ideologie. Dabei unterscheidet Adorno durchaus zwischen der Wertsetzung des Lebens „aus einem Positiven“, die er an Jaspers‘ Denken kritisiert, und der Bestimmung des „Seins zum Tode“ bzw. der „Freiheit zum Opfer“ in der Heideggerschen Ontologie, mit deren Demontage der »Jargon der Eigentlichkeit« schließt.
Améry hingegen betrachtet die Distanz, die Jaspers von Heidegger nahm, ähnlich wie Hannah Arendt als Impuls einer möglichen Aufarbeitung der Vergangenheit. Zugleich gibt er seit dem Essay »Jenseits von Schuld und Sühne« zu bedenken, dass ein positiv gesetzter Begriff des Politischen die Verantwortung der Deutschen (und Österreicher) für die Vernichtung der europäischen Juden auch ausblenden und die nach wie vor drohende „Logik der Vernichtung“ kaschieren könne. So verwundert es nicht, dass Adornos »Jargon der Eigentlichkeit« zu den Lieblingsbüchern Amérys zählte.
Der Vortrag findet in Kooperation mit der Fachschaft der Philosophie statt, auf die auch die Initiative zurückgeht, mit Dr. Scheit noch einen Workshop zu veranstalten. Dieser steht unter dem Titel
Über den Zusammenhang von Sprach- und Ideologiekritik:
Adornos »Jargon der Eigentlichkeit«
und ist am Samstag, den 18. Juni, von 11:00 – 15:00 Uhr im Karl Jaspers-Haus.
Anmeldungen bitte unter: fsphilo@uni-oldenburg.de
Dr. phil. Gerhard Scheit lebt als freier Autor in Wien. Er legte Arbeiten zur Kritischen Theorie vor und schrieb über Antisemitismus, Staatskritik und zu Fragen der Ästhetik; er ist Mitherausgeber der Jean Améry Werkausgabe (2002-2008) und der Zeitschrift ›sans phrase‹ (ab 2012). Zu seinen Büchern zählen u.a.: »Verborgener Staat, lebendiges Geld. Zur Dramaturgie des Antisemitismus (1999, 2003); »Jargon der Demokratie. Über den neuen Behemoth« (2006); »Der Wahn vom Weltsouverän« (2009); »Treffpunkt der Moderne. Gustav Mahler, Theodor W. Adorno, Wiener Traditionen« (2010) (Koautor: W. Svoboda); »Quälbarer Leib. Kritik der Gesellschaft nach Adorno« (2011); »Kritik des politischen Engagements« (2016).
(Foto: © Heiner Wittmann)