Hannah Arendt. Denken ohne Geländer. Ein Leben in Briefen. Unabhängiges Denken (1962-1975)
Kategorie: Aktuelles // Allgemein
Di., 14. Oktober 2025, 19:30 Uhr
Lesung mit Franziska Vondrlik und Matthias Bormuth
In den späten Jahren von Hannah Arendt bietet die Freundschaft mit Mary McCarthy viele Einblicke in ihre persönliche Welt. Als die Philosophin schwer verunglückt, schildert sie der Schriftstellerin genau, wie es ihr im Krankenhaus ergeht. Ebenso lässt sie McCarthy Anteil haben an den Angriffen, die in Form einer weltweiten Medienkampagne ihre persönliche Integrität nach „Eichmann in Jerusalem“ zu zerstören drohen. Und zugleich schildert Arendt Jahre später der Freundin, als sie beginnt, die Summe ihres Denkens zu ziehen, welche Kraft sie aus dem sokratischen Selbstgespräch zieht.

Die 1968er Jahre bringen nochmals Karl Jaspers nahe, der ihr unabhängiges Denken hoch schätzt und mit „Wohin treibt die Bundesrepublik?“ im Geiste der rebellierenden Studenten schreibt. Diese gehen in den USA pragmatisch vor, während Arendt bedauert, wie sehr in Deutschland das Denken bei progressiven Geistern schabloniert sei. Einzig Uwe Johnson, Autor des Epos „Jahrestage“, wird zu einem wichtigen Gesprächspartner, sowie Dolf Sternberger in der Politischen Philosophie ihr freundschaftlich verbunden bleibt.
Außergewöhnlich bleibt auch die späte Nähe zu Martin Heidegger, gerade in den Jahren, als Karl Jaspers als Gesprächspartner zunehmend entschwindet. Im Sommer 1975, wenige Monate vor ihrem Tod, ordnet sie dessen Briefe aus dem Nachlass und reist vom Deutschen Literaturarchiv zu einem letzten Besuch nach Freiburg. Hannah Arendt war bis zuletzt in ihrer philosophischen Unabhängigkeit zwischen allen politischen Lagern auf keinen festen Begriff zu bringen.

Die Schauspielerin und Sprecherin Franziska Vondrlik ist festes Ensemblemitglied des Theaters der Oldenburger Kulturetage. Ihre besondere Leidenschaft gilt der Literatur und dem Chanson. Zuletzt trat sie im Karl Jaspers-Haus mit ihrem Programm über die jüdische Dichterin Mascha Kaléko auf.
Matthias Bormuth ist Professor für Vergleichende Ideengeschichte an der Universität Oldenburg und Leiter des Karl Jaspers-Hauses. Entlang eigener Forschungen zu Max Weber verdichtete er in dem Band: Wir modernen Menschen. Über Max Weber (Wallstein 2020). Zuletzt erschienen: Die Kunst des Fragens. Marginalien und Porträts (Wallstein 2024) und Trapezkünstler. Der Fall Kafka (Berenberg 2024). Jüngste Publikation: Von der Unheimlichkeit der Welt. Denken mit Hannah Arendt (Matthes und Seitz Oktober 2025).
