Heinrich Heine: „Sagt mir, was bedeutet der Mensch?” (Michael Lahr / Grigorij von Leïtis)
Kategorie: Archiv
Di., 26. Mai, 19:30 Uhr
Eine literarische Lebensfahrt
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Wie kaum ein anderer deutscher Dichter saß Heine zeitlebens zwischen allen Stühlen: Er war zwischen seinem Geburtsland Deutschland und seiner Wahlheimat Frankreich hin und hergerissen, als Jude geboren konvertierte er später zum Protestantismus, ohne wirklich je die eine oder andere Religion zu praktizieren. Literaturgeschichtlich gehörte er der Romantik nicht mehr an, kann aber auch nicht dem Realismus zugerechnet werden. Und politisch? Einerseits war er mit Marx befreundet und begeisterte sich für die frühsozialistische Bewegung der Saint-Simonisten; andererseits verehrte er Napoleon als „genialen Geschäftsführer des Weltgeistes”. Heine selbst fand in Kaiserin Elisabeth eine große Bewunderin. Sissi wollte der Stadt Hamburg ein Heine-Denkmal stiften; diese lehnte jedoch ab, und so stellte sie das Monument im Park ihres Schlosses auf Korfu auf.
Heine war ein leidenschaftlicher Verfechter der demokratischen Grundwerte von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und der Menschenrechte. Seine Reisebeschreibungen, Gedichte, Romane und Feuilletons legen beredtes Zeugnis von Heines Weltoffenheit ab.
Als „entlaufener” Romantiker besang Heinrich Heine (1797 – 1856) mit volkstümlicher Einfachheit und lyrischer Leichtfüßigkeit die Liebe, besonders die unerwiderte. Als literarischer „Guerillakämpfer” gegen die Staatsgewalten versuchte er immer wieder, seine Zeitgenossen aus ihrem biedermeierlichen Gehorsam zu locken und für seinen Traum der großen Menschheitsverbrüderung zu gewinnen. Nach eigener Aussage hat sich Heine sein ganzes Leben lang „auf den Tanzböden der Philosophie herumgetrieben, allen Orgien des Geistes [sich] hingegeben, mit allen möglichen Systemen gebuhlt”. Als Kaufmann versagte Heine kläglich, seine Hoffnungen auf eine Professur in München musste er auch bald begraben. In Paris reüssierte er aber schnell als Journalist und Schriftsteller. In seinen Gedichten, Feuilletons, Essays, Briefen und Prosawerken umkreist Heine immer wieder die Frage, was der Mensch sei. Er besingt die Schönheit des Lebens, beschreibt das Elend der menschlichen Existenz, belächelt – bisweilen milde, bisweilen ironisch – seine eigenen Schwächen und die seiner Mitbürger, solidarisiert sich mit den Leidenden, Gequälten und Ausgestoßenen.
Die literarische Lebensfahrt spannt anhand berühmter und wenig bekannter Gedichte, Tagebucheinträge und Prosatexte Heines einen großen biographischen und thematischen Bogen und lädt ein, über die großen Menschheitsfragen nachzudenken.
Beginn: 19:30 Uhr im Karl Jaspers-Haus
Gregorij H. von Leïtis, Gründer und Intendant von Elysium, arbeitet seit über 40 Jahren an unterschiedlichen Theatern in Europa und den USA. Für seine Verdienste um die Förderung der Völkerverständigung mit den Mitteln der Kunst wurde ihm 2003 das Bundesverdienstkreuz verliehen. 1985 erhielt er als erster Nicht-Amerikaner den New York Theatre Club Prize. 1983 gründete er in New York die „Elysium Theater Company“, welche er als Artistic Director bis zu seiner Berufung 1990 als Intendant ans Landestheater Mecklenburg, Neustrelitz leitete. Seit 1993 ist er Intendant von „Elysium – between two continents München – New York“. 1985 gründete er die „Erwin Piscator Award Society“, welche jährlich den Erwin Piscator Award vergibt. Seit 1987 engagierte er sich mit den Mitteln des Theaters für die Integration sozialer Randgruppen. Gregorij von Leïtis war Gastregisseur an den Landestheatern Linz und Bregenz. 1998 inszenierte er am Bloomsbury Theater London Kafkas „Ein Bericht an eine Akademie” und im Guggenheim Museum sowie am Miller Theater New York Ullmanns Oper „Der Kaiser von Atlantis” und 2001 am Teatro dell’Opera di Roma die italienische Erstaufführung von Kreneks Oper „What Price Confidence?“ 1995 gründete er zusammen mit Michael Lahr „The Lahr von Leïtis Academy & Archive“, deren Präsident er ist.
Michael Lahr, „Elysiums“ Programmdirektor und Executive Director von „The Lahr von Leïtis Academy & Archive“, studierte Philosophie und Erwachsenenbildung an der Hochschule für Philosophie in München und an der Jesuiten-Universität Centre Sèvres in Paris. Er ist Autor und Herausgeber des Buches „Der Erwin Piscator Preis”, und Co-Autor des Essay-Bandes „Bilder des Menschen”, zu dem er den Artikel „Der jüdische Humanismus und das Konzept der Verantwortung” über Emmanuel Lévinas beisteuerte. Als Spezialist zu Erwin Piscator, dem Gründer des politischen und epischen Theaters, hat er die Ausstellung „Erwin Piscator: Politisches Theater im Exil” kuratiert, die bislang in Bernried, New York, Catania, Salzburg und München zu sehen war. Als Programmdirektor von „Elysium“ hat er zahlreiche Werke von Künstlern ausgegraben, die unter dem Druck des Nazi-Regimes ihre Heimat verlassen mussten oder ermordet wurden.