Aufklärung und Frömmigkeit. Spinoza und die Folgen (Matthias Bormuth)
Kategorie: Aktuelles // Allgemein
Mi., 24. Januar 2024, 19:30 Uhr
Im 17. Jahrhundert veröffentlichte der jüdische Philosoph Baruch de Spinoza (1632-1677) anonym eine umfassende Kritik der alttestamentlichen Bücher. Vorausgegangen war der Ausschluss aus der Amsterdamer Synagoge. Heute gilt sein „Theologisch-politischer Traktat“ ideengeschichtlich als Ausdruck einer „radikalen Aufklärung“.
Der Vortrag stellt Grundzüge von Spinozas Bibelkritik vor, deren tiefere Absicht es ist, Aufklärung und Frömmigkeit entlang der jüdischen Schriften und Geschichte genauer ins Verhältnis zu setzen. Die Freiheit des Einzelnen, mit Hilfe des natürlichen Lichts der Vernunft seinen Glauben zu leben, dürfe nicht durch dogmatische Vorgaben der religiösen Gemeinschaft beschränkt werden, die selbst historisch geprägt seien.
Welche Folgen Spinozas Traktat hatte, das auch in christlichen Kontexten als Zeichen seines „Atheismus“ gelesen wurde, zeigt der Vortrag exemplarisch an späten Schriften Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781). Hundert Jahre nach Spinoza entfachte der Gelehrte und Schriftsteller eine, auch von Spinoza inspirierte Kontroverse um die historische Kritik des Neuen Testaments. Für Lessing standen Aufklärung und Frömmigkeit auf eigenwillige Weise im Zeichen geistiger Liberalität interreligiös annehmbar im Verhältnis.
Matthias Bormuth lehrt als Professor für Vergleichende Ideengeschichte am Institut für Philosophie der Karl von Ossietzky-Universität in Oldenburg und leitet das Karl Jaspers-Haus sowie die dortige „Forschungsstelle Hannah Arendt Zentrum“. Jüngste Publikationen sind: Die geistige Situation um 1945 – Karl Jaspers und Hannah Arendt (Wallstein 2023), Der Bote – Gedanken zu Franz Kafka (Keicher 2023) und Die Kunst des Fragens – Marginalien und Porträts (Wallstein 2024).