„Da schwankt der Boden unter den Füßen…“. Ernst Troeltsch und die Krise von 1918 (Friedemann Voigt)
Kategorie: Archiv
Di., 29. Mai, 19:30 Uhr, Lambertus-Saal
Für Troeltsch sind es vor allem zwei Krisen, die es 1918 zu bedenken und zu bearbeiten gilt:
Zum einen die politische Krise, wiederum zu differenzieren in die innen- und außenpolitische Seite. Die innenpolitische Krise bestand für Troeltsch nicht im Untergang des Kaiserreichs, sondern in den Unsicherheiten bei der Schaffung einer neuen politischen Ordnung. Für Troeltschs Entwicklung zum auch parteipolitisch engagierten Verfechter der Demokratie stellt das Jahr 1918 eine wichtige Passage dar. Außenpolitisch ist für ihn die Suche nach einer Verständigung im „Kulturkrieg“ zwischen „deutschem Geist“ und „Westeuropa“ das entscheidende Thema. Auch hier entwickelt sich Troeltsch im Jahr 1918 von einem stärker an der nationalen Eigenart orientierten Denker zu einem europäischen Vordenker. Dabei kann er allerdings an Elemente seines Denkens früherer Jahre konsequent anknüpfen. Diese außenpolitische Perspektive ist eng mit seiner Berliner Geschichtsphilosophie verbunden, die er zur geistigen Grundlage einer neuen europäischen Friedensordnung entwickeln wollte. Sie sollte aus der geistigen Krisis der Zeit in eine neue Phase der politischen Verständigung und Kompromissbildungen führen.
Friedemann Voigt ist Professor für Sozialethik mit Schwerpunkt Bioethik im Fachbereich für Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Als Vorstand der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft ediert den Band »Ernst Troeltsch: Politische Schriften 1914-1918« der Kritischen Gesamtausgabe. Zuletzt gab er u.a. heraus: »Grenzüberschreitungen – Synthetische Biologie im Dialog« (Karl Alber 2015).
(Foto: Cam Truong)