Die Kunst der Soziologie. Heinrich Popitz (Tilman Allert)

Kategorie: Aktuelles // Allgemein

Di., 04. November 2025, 19:30 Uhr

Heinrich Popitz zählt neben Gelehrten wie Ralf Dahrendorf und M. Rainer Lepsius zur Gründergeneration der deutschen Nachkriegssoziologie. Er sah die Soziologie als Mittel zur Kontrolle der Selbstreflexion, der Wahrnehmung und Urteilsbildung, notwendig für einen geistigen Neuanfang in Deutschland. Auch sollte anstelle von Mythen von Blut und Boden oder von Verklärungen des Völkischen nüchtern die Erforschung der modernen Industriegesellschaft erfolgen.

Mit dieser Programmatik war Popitz massgeblich am Aufstieg der Soziologie in der jungen Bundesrepublik beteiligt. Rasch berühmt wurde er durch seine Industrie-Studie über das Gesellschaftsbild des Arbeiters, die er zusammen mit einem Göttinger Kollegen im Ruhrgebiet durchführte.

Tilman Allert stellt all dies in gewohnter Genauigkeit im Spiegel der intellektuellen Biographie vor, aufzeigend, wie Popitz´ Verständnis von den Aufgaben der Soziologie als Wissenschaft spezifisch gebrochen war durch traumatische Erfahrungen des Zwanzigjährigen. Die Ermordung des Vaters, der sich 1938 den Widerstandskreisen des 20. Juli angeschlossen hatte und Ende Februar 45 hingerichtet wurde, hinterließ tiefe Spuren im intellektuellen Profil wie Habitus der Person.

Vor diesem Hintergrund hat dieser ungewöhnliche Gelehrte wie kein anderer aus der Gründergeneration mit seinem begrifflichen Instrumentarium der Soziologie als Wissenschaft vom menschlichen Handeln den Weg gewiesen. Jede Einführung in die Grundlagen des Fachs greift auf seine Miniaturen zurück, nicht zuletzt, weil sie in einem brillanten literarischen Stil formuliert sind.

 

Prof. Dr. Tilman Allert lehrte Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe Universität Frankfurt. Er ist Gastprofessor an der staatlichen Universität Tbilisi, Georgien, sowie der staatlichen Universität Yerewan, Armenien. Wichtige Veröffentlichungen: „Die Familie. Fallstudien zur Unverwüstlichkeit einer Lebensform“ (1998), „Der deutsche Gruß. Geschichte einer unheilvollen Geste“ (2005, 2010, in fünf Sprachen übersetzt), „Die Wunde Guttenberg – eine soziologische Skizze“ (2011), „Latte Macciato – Soziologie der kleinen Dinge“ (2015), „Gruss aus der Küche – Soziologie der kleinen Dinge“ (2017), „Der Mund ist aufgegangen. Vom Geschmack der Kindheit“ (2016). „Zum Greifen nah. Von den Anfängen des Denkens“ (2017).