„Kleine Theologie des Als ob“ (Sebastian Kleinschmidt)
Kategorie: Aktuelles // Allgemein
Di., 22. August 2023, 19:30 Uhr
Lesung und Gespräch
Auf dreierlei Weise, sagt Sebastian Kleinschmidt, kann sich der Mensch auf Gott beziehen. In Gestalt seiner Realitätsbejahung, in Gestalt seiner Realitätsverneinung, im Exempel seiner Realitätsvermutung. Als These oder Antithese oder Hypothese. Im Modus des ‚Er ist‘ oder des ‚Er ist nicht‘ oder des ‚Als ob er sei‘. Im Zustand des Glaubens, im Zustand des Unglaubens, im Status gedanklicher Annahme.
In einer eindringlichen Für-und-Wider-Betrachtung der christlichen Welt, einer Welt, deren geistliche und institutionelle Relevanz rapide schwindet, macht der Autor den Vorschlag, Religion aus der Rivalität mit der Wissenschaft zu befreien und als Schwester der Poesie anzusehen. Und sie auf diese Weise als eine Welt des Als-ob anzuerkennen. Als ob es Gott gäbe, als ob es Engel, Teufel und Dämonen gäbe, die Unsterblichkeit, die Auferstehung, die Vorsehung, den Fluch und den Segen, das Gericht, die Gnade, die Erlösung und die Vergebung. Die Gegenstände des religiösen Bewusstseins sollten verstanden werden als Seiendes im Konjunktiv‚ als gehaltvolle Vorstellung, als eine Ontologie des ‚Könnte-sein‘. Als Imagination, die viel zu denken gibt und unser Bewusstsein bereichert.
Sebastian Kleinschmidt, geboren 1948 in Schwerin, Essayist und Herausgeber, von 1991 bis 2013 Chefredakteur von Sinn und Form, lebt bei Berlin. Jüngste Veröffentlichungen: „Spiegelungen“ (Matthes & Seitz Berlin, 2018), „Lob der Autorität“ (Matthes & Seitz Berlin, 2023).