Öffentliche Urteilskraft. Gedanken zu Hannah Arendt (Linda Sauer)

Kategorie: Aktuelles // Allgemein // Arendt-Forum

Di., 23. April 2024, 19:30 Uhr

„Urteilen [ist] das Vermögen, das Besondere und das Allgemeine
auf geheimnisvolle Weise miteinander zu verbinden.“
(Hannah Arendt)

Für Hannah Arendt ist die Urteilskraft nicht nur ein philosophisches, sondern vor allem ein öffentlich-politisches Vermögen. Wo Menschen ihre Urteilskraft verlieren oder garnicht erst ausbilden können, dort verwirken sie ihre Fähigkeit, Dinge kritisch zu prüfen und Unterschiede zu sehen. Die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge, Recht und Unrecht, Eigeninteresse und Gemeininteresse werden dabei immer unschärfer; und die Öffentlichkeit, die diese Unterschiede durch verschiedene Sichtweisen und Standpunkte zum Vorschein bringt, verdunkelt sich. Arendt hat diese „finsteren Zeiten“ unter der Herrschaft des Nationalsozialismus selbst miterlebt.

Wie aber steht es heute um unsere Urteilskraft? Sind wir, trotz einer global vernetzten, allumfassenden, beinahe schon überinformierten Öffentlichkeit, weitaus urteilsfähiger? Welchen Voraussetzungen unterliegt dieses „politischste geistige Vermögen“? Und wodurch könnte unser Urteilsvermögen erschwert werden – in Zeiten, die zwar unter ganz anderen Vorzeichen stehen, dabei aber mit ebenso zahlreichen Krisen und Umbrüchen konfrontiert sind? Diesen Fragen will der Abend nachgehen und dabei noch auf einen anderen großen Denker Bezug nehmen, der für Hannah Arendts Vorstellung von öffentlicher Urteilskraft entscheidend ist: Immanuel Kant, dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird, und der mit der „Kritik der Urteilskraft“ bis heute auch als politischer Philosoph in der Diskussion ist.